Fast im Verborgenen entstehen auf dem Gewerbehof von Biomalz Kunstwerke aus Stein und Stahl
Wer Achim Schmidt in seiner Werkstatt auf dem Biomalzgewerbehof besucht, wird an der Eingangstür von einer fidelen Vogelschar begrüßt. Aber anders als ihre gefiederten Verwandten sind die stummen Gesellen mit den großen Zwitscherschnäbeln aus Stein und Stahl. Das sind die Materialien, die Achim Schmidt am liebsten bearbeitet, um daraus seine Skulpturen zu gestalten. Dazu zählen Fische, Mäuse, Elefanten und Schildkröten. Es sind alles Unikate, keine Figur gleicht der anderen. „Es kommt auf den Stein an“, erklärt der 56-jährige Berliner, „sobald ich den in der Hand halte, weiß ich, das wird ein Frosch oder ein Fisch“. Jeder Stein habe einen spezifischen Charakter, den er bei der Gestaltung nur übernehme. Wichtiges Gestaltungselement seien die Augen, schon der Abstand von nur wenigen Zentimetern könne den ganzen Ausdruck verändern. Runde Unterlegscheiben sind den männlichen Tieren der Vogelwelt vorbehalten, die Weiblichkeit trägt Schraubenmuttern. Das sei ausreichend, um das Geschlecht seiner Kreationen bestimmen zu können, sagt ihr Schöpfer. Nur manchmal erhalten die Vogel-Herren noch ein paar schwungvolle Stahlantennen, weil Männchen in der Tierwelt ja auch etwas extravaganter wären, meint Achim Schmidt. Seine Zutaten aus „handgeschnitztem Edelstahl“ passen aber auch zu Glas und Holz.
Zum Beweis nimmt er einen bauchigen Glasstein in die Hand, legt ein Metallband herum und beschreibt mit der anderen Hand die Teile, die nötig sind, um einen Elefanten zu erschaffen. Da, wo die meisten nur eine vage Form zu erkennen vermögen, hat Achim Schmidt das Ergebnis bereits vor Augen. Schon als Kind sah er in alltäglichen Dingen mehr als andere. So faszinierten ihn einst alte Radioröhren, aus denen er kleine Roboter bastelte. Später als Maschinenbauingenieur baute er hin und wieder für Kollegen kleine Kunstwerke. Das Handwerk der Metallbearbeitung erlernte er während des Studiums. Auch Schmieden und Schweißen gehörte dazu. Seine Werkstatt, in der er seit 2003 arbeitet, ist eine ehemalige LKW-Garage, die er unterteilt hat in weiße und schwarze Werkstatt für Stahl- und Eisenbearbeitung. Den traditionellen Amboss nutzt er noch und in der Mitte brummt ein Kamin, auf dem er manchmal Essen kocht. Neben Skulpturen übernimmt er auch andere Gestaltungsaufgaben, wie einen schmiedeeisernen Speisekartenständer für eine Gaststätte und in der weißen Werkstatt baut er gerade aus Edelstahl ein Gestell für einen Couchtisch. Auf seinem Arbeitsplatz liegen viele Zettel mit Kundenbestellungen. Auf einem wird „ein mittleres Cha Cha Cha“, gewünscht, was ein mittelgroßes Tanzpaar meint, das den traditionellen Hüftschwung zelebriert. Auch Tango und Disko sind oft gefragt. „Ich gebe mir Mühe, dass man den jeweiligen Tanz an der Haltung der Figuren erkennt“, sagt Achim Schmidt und schleicht dabei demonstrativ mit zackigen Schritten über den Steinfußboden. Beim Tango, erklärt er, stehe das Paar sehr eng und die Dame hake sich beim Partner auf Achselhöhe ein. Die Steine, die er für seine kulpturen verarbeitet, sucht er nicht mehr selbst. Er kauft sie, weil zum Suchen keine Zeit mehr bleibt. Früher sei er aus jedem Urlaub mit einigen Fundstücken heimgekehrt. Die verstaute er unterm Sitz, weshalb sein Sohn die Heimreise auf der Rückbank mit angezogenen Knien erdulden musste. Auslöser für die freiberufliche Tätigkeit war eine Vogelskulptur, die Achim Schmidt seiner Frau 1996 zum Geburtstag schenkte. Nachdem das Werk im Garten positioniert
war, gefiel es Freunden und Nachbarn so gut, dass sie gleich Bestellungen aufgaben. Irgendwann brauchte der kreative Tatendrang mehr Raum. Doch die Entscheidung, ob aus dem Hobby ein Beruf werden sollte, überließ Achim Schmidt seiner Frau. „Sie hat zum Glück Ja gesagt“. Vielleicht auch, weil ihr klar war, dass in dem Ingenieur eher ein Künstler steckte. Und der bekennt: „Es macht Spaß, auch wenn ich an manchen Tagen zwei Schichten absolviere und meine Frau mich nicht oft sieht“. Selbständigkeit erfordere zudem Disziplin. „Ich bin nicht nur Künstler, sondern auch Geschäftsmann“, sagt er und als solcher sei er auch auf Kunstmärkten zu finden, beispielsweise auf der Straße des 17. Juni in Berlin. Ebenso trete er bei Festen mit einer Schau-Schmiede auf.
www.design-fuer-geniesser.de
Bäke Courier 02/2010 5. KW
Kirsten Graulich